Was in Königsberg die Stadtgärtnerei war, ist heute der Botanische Garten in Kaliningrad. Foto: I.S.

Königsberger Wanderung

Unser Autor Jörn Pekrul, entdeckt auf seinen Wanderungen durch Kaliningrad Vergangenheit und Gegenwart. Seine Berichte über die Spuren Königsbergs in der heutigen Stadt, finden bei unseren Leserinnen und Lesern großen Zuspruch.  Wir wollen ihn nun auf seiner 35. Wanderung begleiten.

VON HEILPFLANZEN UND FUSSBALL

Teil 35 der „Königsberger Wanderung“. Fortsetzung von KE  11-12/2020, 1-12/2021, 1-12/2022  und 1-8/2023

Entlang der Aschmann-allee (Parkowaja Alleja) überqueren wir eine Eisenbahnbrücke. Dahinter stehen rechter Hand einige Mehrfamilienhäuser aus den 1930er Jahren von Helmut Flotow – ein Architekt, von dem wir schon am ehemaligen Raiffeisenhaus an der Stresemannstraße (Sowjetski Prospekt) hörten (KE 10/2022). Heute erfreuen bunte Blumen in den Vordergärten das Auge, und auch die Balkone und Fenster sind farbenfroh bepflanzt.

An der linken Straßenseite liegt ein Grünareal, das nicht alltäglich ist. Hier befindet sich das Gelände der alten Stadtgärtnerei von Königsberg. Sie entstand im Zuge der Bebauung von Maraunenhof, als die Stadt ein etwa 12,5 ha großes Areal erwarb. Bisher hatte die Stadt eine eigene Gärtnerei in der Yorckstraße, die jedoch für den wachsenden Bedarf an Stauden und Pflanzen nicht mehr ausreichte. Zum Ende des 19. Jahrhunderts hatten schon viele Vereine, darunter der „Kesselsche Verschönerungsverein“, mit Bürger-sinn und Gemeinschaftsarbeit viele Grünanlagen geschaffen und gepflegt, die 1901 von der Stadt Königsberg in eigene Verwaltung übernommen wurden. Auch der seit 1895 beim Verein tätige Gartenbauinspektor Paul Käber (1869-1919) erhielt eine Anstellung und wurde 1907 der zuständige Gartendirektor von Königsberg. Seine Verdienste sind unvergessen, und bis heute befindet sich ein Gedenkstein für ihn in diesem Garten. Die Stadtgärtnerei enthielt eine Baumschule zur Versorgung der Stadt mit Grünholz, so u.a. 28 Arten von Eichen und 22 Weiß- und Rotdornen. Es gab bis zu 16 Morgen große Schulgärten und eine besondere Abteilung für Arznei- und Giftpflanzen für die hiesige Drogistenfachschule. Von den Gewächshäusern fand z. B. auch die Tomate ihre Verbreitung in Ostpreußen. Was an Obst und Gemüse anfiel, ging kostenlos an die Städtischen Kranken- und Waisenhäuser, das Rote Kreuz oder an sonstige Bedürftige.

Heute ist die Stadtgärtnerei dem botanischen Fach der Universität zugeordnet. Einige Gewächshäuser und sogar ein paar Laubengänge des Rosariums sind erhalten geblieben. Hier sei für die Königsberger und die Kaliningrader Dame eine Rose gebrochen.  Darf ich sie Ihnen hiermit, liebe Leserin, überreichen.

Am nördlichen Rand des Stadtgartens führt die Dieffenbachstraße (ul. Molodjoschnaja) nach Westen. Dort wartet unsere nächste „Entdeckungsbekanntschaft“, Herr Dr. med. Heinrich Hoeftmann. Geboren 1851 in Memel, studierte er zuerst Medizin an der Universität Leipzig. Nach einem Jahr als kriegsfreiwilliger Krankenpfleger studierte er an der Albertina und promovierte 1876. Vier Jahre später eröffnete Hoeftmann in Königsberg eine Arztpraxis und übernahm 1882 eine private Klinik, die er aus eigenen Ersparnissen zu einem modernen orthopädischen Krankenhaus mit 120 Betten ausbaute. Er förderte die Sozialmedizin, die Krüppelfürsorge und die Rehabilitation von Unfallverletzten. 1901 gründete er die orthopädische Gesellschaft und 1911 einen Verein zur Schaffung einer Krüppel- und Heilanstalt.

Die öffentliche Hand förderte dieses Vorhaben, und bereits 1913 gelang es Dr. Hoeftmann, das Heim hier, nahe am Stadtgarten, einzurichten. Es erhielt 1915 den Namen „Hindenburghaus“. Das Haus ist heute ein Zentrum für Kinder mit dem Titel „Na Molodjoschnoj“. Es bietet den Kleinen außerschulische Aktivitäten in vielen Disziplinen. Und lautes Jubelrufen leitet unseren Weg auf die Aschmann-Allee (Parkowaja Alleja) zurück.

Wir befinden uns an einer Sportstätte mit hohem historischen Wert. Welch ein Umbruch am Ende des 19. Jahrhunderts. Hatte zu dessen Beginn Johann Friedrich Ludwig Chris-toph Jahn (besser bekannt als „Turnvater Jahn“, 1778-1852) die körperliche Ertüchtigung der Jugend begründet (die später u. a. für den Kampf gegen Napoleon adaptiert wurde), so war das Turnen am Ende des 19. Jahrhunderts selbstverständlich geworden und in vielen Vereinen praktiziert.

Ab 1900 entstanden pa-rallele Sportvereine.  Einer der bekanntesten wurde der Verein für Bewegungsspiele, gegründet am 7. Juli 1900 als Fußball-Club Königsberg und 1907 umbenannt. Er dominierte die Stadtliga zwischen 1907 und 1932 und errang im regionalen Baltenverband Meisterschaften wie im Dauerabonnement. 1923 drang der VfB Königsberg bis ins Halbfinale der nationalen Meisterschaften vor und unterlag nur dem späteren Meister, dem Hamburger SV mit 2:3. Viele Jahre später schaffte der VfB Königsberg in der lokalen Liga eine Serie von fünf Titeln hintereinander – eine Sensation. Der Verein hatte sein Stadion seit 1905 auf dem Walter-Simon-Platz (dem späteren Stadion des russischen FK Baltika), und ab 1921 hier, in Maraunenhof.

Austragungsorte waren aber auch die Sportplätze von Prussia Samland in der Steffeckstraße (ul. Lejtenanta Katina) oder am Friedländer Tor. Heute erinnert ein verwittertes Denkmal mit einer Plakette an die im I. Weltkrieg gefallenen Sportler. Die Namen der Spieler, auch der späteren, klingen durch die Zeit. Hier nur einige: Kurt Baluses, Paul Gehlhaar, Eduard Krause, Erwin Scheffler, Rudolf Schönbeck und Udo Lattek, der spätere Trainer des FC Bayern München. Und im freundlichen Wettbewerb eine Verbeugung vor dem heutigen FK Baltika, dessen Fantreue ihren Ruf bis nach Deutschland ehrt (KE 04/2022).

Wir schwelgen in Erinnerungen an die Tage der Fußball-Weltmeisterschaft in Kaliningrad im Sommer 2018. Gerade findet auf dem heutigen Fußballplatz in Maraunenhof ein Turnier statt; es motiviert zum Mitmachen.

Jörn Pekrul