Die Börse hat Hunderte historische Ereignisse erlebt und ist nun Heimstatt des Museums der bildenden Künste geworden. Foto: I.S.

Von der Börse zum Museum

Nach fast einem ganzen Jahrhundert, nach Hunderten von größeren und kleineren historischen Ereignissen ist die Königsberger Börse zur Heimstatt des Museums der bildenden Künste in Kaliningrad geworden.

Die In der zweiten Hälfte des 15. Jh. begann Königsberg eine immer größere Rolle im Ostseeraum zu spielen – als wichtiges Handelszentrum und Umschlagplatz für Waren auf ihrem Weg von West nach Ost und aus Russland nach Westen. Königsberg blühte auf und wurde die Metropole der Ostsee, was maßgeblich zu einem wirtschaftlichen Aufschwung von ganz Nordostpreußen beitrug.

Königsberg unterhielt im 15. Jh. Handelsbeziehungen zu fast allen Ländern des Ostseeraumes und exportierte Holz, Teer, Pech, Wachs, Hopfen, Fette, Geräuchertes und Hirsch-, Reh- und Bärenfelle.

In diese Zeit fällt die Entstehung der ersten Handelsinstitution in Königsberg – der Börse, die das Aufblühen der Wirtschaftstätigkeit förderte und Zentrum des gesamten Handels wurde.

Die erste Königsberger Börse wurde 1624 am Nordufer des alten Pregels auf Pfählen errichtet. Nach 70 Jahren war das Gebäude baufällig geworden, die Börse wurde geschlossen und brannte später ab. Es wurde eine neue Börse gegründet, die jedoch keine große Bedeutung erreichte. Durch die Napoleonischen Kriege und die Kontinentalsperre war der Handel erschwert. Auch verlor die Ostsee durch neue transatlantische Verbindungen an Bedeutung. Nur der Handel mit Russland blieb stabil. Als während des Krimkrieges (1854-1855) die Schwarzmeerhäfen blockiert waren, wurden Königsberg und Memel für Russland sogar die einzigen „Fenster“ nach Europa, über die Handel abgewickelt werden konnte.

Die wichtigste Wasserstraße, auf der Waren aus Russland nach Königsberg geliefert wurden, war die Memel (heute Neman), auf der bis zu 300 Meter lange Flöße Waren wie Getreide, Pottasche, Hanf, Hanffasern, Flachs und Honig transportierten. Auf den Flößen gab es für die Flößer Aufbauten zum Wohnen und Kochen sowie Lagermöglichkeiten für Lebensmittel. In guten Jahren, wenn die Flüsse viel Wasser führten, legten solche Flöße den Weg von Kiew nach Königsberg in vier Monaten zurück. Der Handel belebte sich nach dem Bau der Eisenbahn 1860 spürbar und Königsberg wurde ein großer Umschlagplatz für Getreide aus Russland in die deutschen Länder und nach Frankreich, Norwegen und Schweden. Diese Entwicklung zwang die Kaufleute zum Bau einer modernen Börse.

Der Bremer Architekt Heinrich Müller entwarf die neue Börse im Stil der sogenannten florentinischen Renaissance. Der Bau kostete die Königsberger Kaufleute zwei Millionen Reichsmark. Am 6. März 1875 fand die feierliche Einweihung der neuen Börse statt. Das Gebäude steht auf 2.200 Eichenpfählen mit einer Länge zwischen 12 und 18 Metern. Das Dach zierten an den vier Ecken Skulpturen, die Europa, Asien, Amerika und Afrika darstellten und die Handelsbeziehungen zwischen diesen vier Erdteilen symbolisierten. Der Bildhauer Emil Hundrieser, der diese Skulpturen schuf, fertigte auch die an der Treppe zum Haupteingang stehenden zwei Sandsteinlöwen mit Schilden an, auf denen das Wappen Königsbergs und dasjenige der Kaufmannschaft dargestellt waren. „Die Löwenbrüder“ wurden sie im Königsberger Volksmund genannt.

Das Börsengebäude selbst ist 73 Meter lang und 23 Meter breit. Auf der Nordseite ist die Sommerbörse angebaut (heute das Foyer des Museums der bildenden Künste), die früher ein Glasdach trug und für Kunstausstellungen verwendet wurde. Im großen Saal der Börse wurden täglich von 11.30 bis 13.30 Uhr Geschäfte abgeschlossen. Der Saal besaß eine von zwei Säulenreihen gestützte Empore, zu der während der Geschäftszeiten der Börse Besucher zugelassen waren. In der übrigen Zeit fanden im Börsensaal Konzerte, Bälle und Wohltätigkeitsveranstaltungen statt. Hier traten viele bekannte Künstler auf; Anton Rubinstein gab 1878 hier  drei Konzerte.

Im östlichen Teil des Gebäudes – gegenüber dem Haupteingang – befand sich ein großes Podium mit einer Treppe, die zu den Diensträumen und der Empore im großen Saal führte. Hier befand sich auch ein Telegrafenamt; in den Kellerräumen auf der Flussseite gab es eine Post und ein Restaurant.

Seinen Höhepunkt erreichte der Börsenbetrieb in Königsberg vor Beginn des Ersten Weltkrieges. Dies betraf sowohl den Handel mit Waren als auch den mit Wertpapieren. Königsberg war zum größten Umschlagplatz für Getreide geworden. Die im Versailler Vertrag verfügte Abtrennung Ostpreußens vom Deutschen Reich wirkte sich dann ungünstig auf den Handel aus. Die Handelsbeziehungen zu Russland und Polen wurden schwächer, da diese beiden Länder eine schwere Zeit durchmachten. Dementsprechend kümmerte auch der Börsenhandel dahin.

Seit Beginn der 1920er Jahre erstarkten die internationalen Beziehungen Ostpreußens wieder, was zu einer Belebung der Börse führte. Doch dies währte nur eine kurze Zeit – Ende der Zwanziger Jahre begann die Weltwirtschaftskrise.

Nach fast einem ganzen Jahrhundert, nach Hunderten von größeren und kleineren historischen Ereignissen ist die Börse nun Heimstatt des Museums der bildenden Künste geworden.

Julia Kirschina