„Ich habe hier ein Zuhause und eine Familie gefunden“
Der gemeinnützige Verein zur Unterstützung sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher „Offene Welt“ blickt auf 20 Jahre seines Bestehens zurück.
Sein wichtigstes „Kind“ ist das Haus „Chance“ in Kaliningrad. Dass es dieses Projekt gibt, ist dem Lübecker „Förderverein für Jugendbildung und Wirtschaftsbeziehungen Norddeutschland-Kaliningrad e. V.“ und dessen langjähriger Ersten Vorsitzenden Prof. Gudrun Schmidt-Kärner zu verdanken.
Wladimir, 24 Jahre, ist eher klein von Wuchs und so schmächtig, dass man denkt, er sei ein Teenager. Er ist schüchtern. Wladimir wuchs in einem Kinderheim auf und ging dann in eine Internatsschule. Nach dem Schulabschluss versuchte er, sein Leben in eigene Hände zu nehmen, dies misslang. Wegen seiner schwachen Gesundheit fand er keine geregelte Arbeit, ihm fehlte ständig Geld für Wohnung und Essen. Er nahm jede Arbeit an, in der Regel Schwarzarbeit. Oft kam es vor, dass Arbeitgeber ihn betrogen und unbezahlt gehen ließen. Er fand schließlich Arbeit in der Landwirtschaft, das Wohnraumproblem blieb jedoch ungelöst. Auf die vom Staat versprochene Wohnung (Waisen steht nach dem Gesetz eine Wohnung zu), hätte er noch einige Jahre warten müssen. Wladimir hatte schon die Hoffnung aufgegeben, als ihm jemand riet, er solle nach Kaliningrad gehen. Dort gebe es das für ehemalige Heimkinder bestimmte Haus „Chance“, vielleicht nehme man ihn dort auf. Tatsächlich wurde Wladimir dort aufgenommen. Er erhielt nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern erfuhr auch Wärme und Fürsorge, die er dringend benötigte. „Zum ersten Mal im Leben habe ich ein echtes Zuhause“, gesteht Wladimir.
Zum 20-jährigen Jubiläum kamen alle zusammen – heutige und ehemalige Schützlinge von „Chance“, die wie Wladimir hier eine Familie, Pädagogen, Erzieher und Sponsoren gefunden haben. Mitten unter ihnen Gudrun Schmidt-Kärner, die in einer für solche Fahrten nicht günstigen Zeit aus Deutschland angereist war.
An diesem Tag gab es viele Worte des Dankes. Das Haus „Chance“ gab in den 20 Jahren seines Bestehens 219 jungen Menschen ein Heim. Ihnen standen Lehrer und Erzieher zur Seite, von denen viele eine Fortbildung in Deutschland absolviert hatten. Insgesamt betreut der gemeinnützige Verein heute 650 ehemalige Kinderheimkinder zusammen mit ihren Familien.
Die meisten Schützlinge kommen im Alter von 20 Jahren in das Haus „Chance“. Dies ist das Alter, in dem sich die Persönlichkeit formt, es ist die Zeit für Pläne und Hoffnungen. Mögen sie alle in Erfüllung gehen. Und möge die Hilfsbereitschaft engagierter Menschen, die in schwerer Zeit die Hand reichen, nicht versiegen. Dies waren die Geleitworte, die bei dem Jubiläumstreffen mehrfach zu hören waren.
Die Gründer und Mitarbeiter des Hauses „Chance“ verstehen ihre Aufgaben wie folgt:
Unterkunft: Bereitstellung eines Wohnplatzes für temporäres Wohnen für Kinderheimabgänger oder junge Menschen in schwierigen Lebenslagen (insgesamt bietet das Haus zwölf solcher Plätze);
Arbeitssuche: Alle in Frage kommenden Beschäftigungen müssen gesetzeskonform und sozial abgesichert sein;
Tagesbetreuung der Kinderheimabgänger auf ihrem Weg ins eigenständige Leben, an ihrem Wohnort, Arbeits- oder Studienplatz;
Tagesbetreuung junger Familien, die Kinderheimabgänger gegründet haben;
Haushaltsplanung: Den Jugendlichen fällt es schwer, sich die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel so einzuteilen, dass sie für Ernährung, Kleidung, Deckung der laufenden Kosten ausreichen. Sie brauchen entsprechende Hilfe;
Gesundheit: Unterstützung durch Erzieher, wenn Jugendliche ärztliche Hilfe benötigen bzw. diese beim Hausarzt oder in einem Krankenhaus in Anspruch nehmen.