„Omas Fotoalbum”
„Der Mensch stirbt, die Erinnerung bleibt“. In Kaliningrad ist die Ausstellung „Omas Fotoalbum“ eröffnet worden.
Jedes Ausstellungsstück in diesem Museum ruft Erinnerungen wach. Genauso ein deutsches Büfett stand damals bei uns zu Hause und an der „Singer“-Nähmaschine nähte meine Großmutter den Uniformmantel meines Vaters um. Mit einer solchen Handtasche, einem Pompadour, den ich als Kind albern fand, lief meine Tante herum und sie hatte außerdem auch einen Muff, dem wir Kinder skeptisch gegenüberstanden. Er störte nur dabei, jemanden an die Hand zu nehmen oder zum Beispiel einen Schneeball zu machen. Warum treten einem die Tränen in die Augen, wenn man diese alte Schreibmaschine sieht und sich an den Lichtstreifen aus Papas Büro und das leise Geklapper der Tasten erinnert? Warum sind diese Bruchstücke eines in der Vergangenheit verschwundenen Lebens so beunruhigend?
„Das Gedächtnis stirbt nicht mit dem Menschen, es wird von Generation zu Generation weitergegeben“, sagt Julia Awerina, die Hüterin dieses kleinen und doch so anrührenden Museums in Kaliningrad. Klein war es übrigens nur anfangs; mit jedem Tag wächst die Sammlung um weitere Exponate. Wer dieses Museum einmal besucht hat, der öffnet zu Hause „Omas Truhe“, holt daraus Familienreliquien und Alltagsgegenstände hervor und schenkt sie dem Museum. Hier ein Waschbrett. Werden unsere Enkelkinder überhaupt darauf kommen, was dies ist? Große Abakusse mit Holzkugeln. Ein Fernseher mit einem winzigen Bildschirm, davor eine dicke Vergrößerungslinse.
Den Grundstein dieses Museums legte ein altes Fotoalbum, das (wie entsetzlich!) auf einem Müllhaufen entdeckt wurde. Die Fotos in dem Album legen Zeugnis vom Leben einer unbekannten, aber für unser Gebiet typischen Familie ab. Menschen, die aus dem großen Russland kamen und ein neues Leben in einem für sie fremden und unbekannten Land begannen. Was ließen sie in ihrer Heimat zurück? Was hat sie bewogen, sich in die Fremde aufzumachen? Heute weiß niemand die Antwort auf diese Fragen, ebenso wie die Namen derjenigen unbekannt sind, die uns von den vergilbten Fotos ansehen. Und doch kann man sich anhand der Fotos ihre Geschichte vorstellen: ein sehr bescheidenes Dasein, in das sie Gegenstände ihres bisherigen Lebens übernehmen wollten. Die schwere Arbeit und die leuchtenden Momente des Lebens – die Geburt der Kinder, ihre ersten Schritte, Schule, Fabrik, Armeedienst.
„Unser Museum ist den ersten Übersiedlern gewidmet, die diese damals in Ruinen liegende deutsche Stadt wiederaufbauten“, setzt Julia Awerina ihre Ausführungen fort. „Ausgestellt sind hier in der Regel echte Gegenstände aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Aber wir haben auch eine eigene ethnografische Arbeit durchgeführt und beispielsweise Kleidung und Trachten aus den Herkunftsregionen der Menschen hergestellt. Es wurde ein Raum ohne Vitrinen und Schautafeln geschaffen. Damit man beliebige Dinge in die Hand nehmen kann, um sie zum Leben zu erwecken und so den Faden zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu spinnen.“ Und wirklich, auf einem in eine alte Schreibmaschine eingespannten Bogen hat einer der Besucher folgende Worte getippt: „Ich habe hier ein Stück meiner Vergangenheit nacherlebt“.
E. L.