Beispiellose Kapitalflucht
Der Abfluss von Kapital aus Russland könnte 2022 einen Rekordwert in der Geschichte der Aufzeichnungen erreichen, mutmaßt die Nachrichtenagentur RBC.
Sie beruft sich auf Angaben der russischen Zentralbank, aus denen folgt, dass der Abfluss von Kapital (Plussaldo von Finanzoperationen in der Privatwirtschaft) 251 Mrd. US-Dollar betragen könnte – der höchste Wert seit 2014, als 152,1 Mrd. US-Dollar erreicht wurden. 2021 betrug dieser Wert lediglich 74,2 Mrd. US-Dollar.
Und dies trotz der Tatsache, dass Privatpersonen die Ausfuhr von Kapital im vergangenen Jahr äußerst erschwert worden war. Offiziell durften Reisende beim Grenzübertritt Bargeld im Wert von 10.000 US-Dollar, umgerechnet nach dem Wechselkurs der Russischen Zentralbank, mit sich führen. Es wurde verboten, von privaten Bankkonten Beträge in ausländischer Währung abzuheben, sofern diese nach Beginn der militärischen Spezialoperation eingegangen waren. Die Zahl der Banken, die Finanzmittel ins Ausland transferieren, sank auf ein Rekordtief.
Laut des Finanzmarktplatzes „banki.ru“ hoben Kunden ihr Geld größtenteils in Rubeln ab. Die Nachfrage nach Bargeld erreichte zweimal einen Spitzenwert: Zunächst am 24. Februar 2022, dem Tag, an dem die militärische Spezialoperation begann. Innerhalb eines Tages wurden 111 Mrd. Rubel in bar abgehoben. Am 25. Februar 2022 wurde der Rekordwert von 1,4 Billionen Rubel erreicht. Die erhöhte Nachfrage dauerte bis zum 5. März 2022 an; in diesem Zeitraum wurden insgesamt fast 2,9 Billionen Rubel abgehoben. Eine neue Abhebewelle setzte nach der Verkündung der Teilmobilmachung am 21. September 2022 ein: An dem Tag wurden 14 Milliarden, am 22. September 132 Milliarden, am 23. September 114 Milliarden und am 30. September 145 Milliarden Rubel abgehoben. Ein Teil dieser Gelder wurde für den Ankauf von Euro und US-Dollar verwendet.
Für einige Russen und Russinnen stellte sich akut die Frage, wie Geld ins Ausland transferiert werden könne. Banken, die das SWIFT-System nicht mehr nutzen konnten, schränkten diese Art Finanzoperationen ein oder führten sie gar nicht mehr durch.
Es gab aber auch Akteure auf dem Finanzmarkt, die aus der entstandenen Krise Nutzen zogen. So machte die russische Tochtergesellschaft der österreichischen Raiffeisenbank (auch in Kaliningrad ist eine Filiale) allein im 2. Quartal 2022 einen Rekordgewinn von 534 Mio. US-Dollar. Dies übersteigt den gesamten 2021 erwirtschafteten Gewinn und ist der höchste Wert seit 2011. Das Unternehmen führt dies u.a. auf den „außerordentlichen Zufluss“ von Kundengeldern und den starken Anstieg der Gebühren zurück, die bei Währungskäufen und -verkäufen sowie bei Finanzoperationen auf dem Währungsmarkt anfallen.