Der Engel kehrte heim
Über zwei Jahrhunderte – von 1721 bis 1944 – hatte ein als Putte dargestellter Engel in Königsberg die Orgel geschmückt. Nun ist er in den Dom zurückgekehrt.
Für den Weg zurück benötigte der Engel 78 Jahre. Während der Bombardierung durch britische Flugzeuge im Zweiten Weltkrieg überlebte er das Feuer, anschließend ging er durchs Wasser – einige Jahrzehnte lag er in einer lecken Kiste im Wassergraben eines der Forts. Am Tag seiner Rückkehr bat man den Engel in einer feierlichen Zeremonie auf die Bühne des Doms, damit er wie zuvor an Aufführungen teilnehmen könne – diesmal an einem Konzert des Ensembles VivaMuse mit dem Domorganisten Jewgeni Awramenko.
„Als wir erfuhren, dass wir zur Begrüßung des Engels fahren, waren wir begeistert“, sagte Jewgenija Klewzowa, Leiterin des Ensembles VivaMuse. „Für uns ist dies ein sehr bedeutendes Ereignis mit unglaublicher Symbolkraft.“ Die künstlerische Leiterin des Königsberger Doms Wera Tariwerdijewa wandte sich mit folgenden Worten an das Publikum: „Sie haben heute die einmalige Möglichkeit, auf dieser Bühne den Engel nicht unter einer Glasglocke, sondern wie man so sagt, „live“ zu sehen. Nach dem Konzert wird er seinen Platz neben der Taufkapelle einnehmen“.
Die Putte – ein beliebtes Motiv des Barock – wurde mit der Musik ihrer Zeitgenossen begrüßt. Bach, Händel und Vivaldi verhalfen der Zeitreise zur Verwirklichung. Die Musiker des Ensembles VivaMuse ließen in den Mauern des Doms die reine Stimme des Barock erklingen und auf der Orgel wurde das Finale der Matthäus-Passion gespielt. Dieses Werk von Johann Sebastian Bach hatte Herbert Wilhelmi beim letzten Orgelkonzert im Königsberger Dom am 3. April 1944 gespielt.