Die 74-jährige Ljubow Essaulowa ist schon lange die einzige Bewohnerin des ruinösen Gebäudes. Foto: privat

„Das ist ein architektonisches Meisterwerk!“

Für einen jungen Kaliningrader Geschäftsmann ist der Wiederaufbau eines deutschen Gutshauses aus dem 19. Jahrhundert zur Lebensaufgabe geworden.

Das riesige Gutshaus, welches einst dem bekannten deutschen Adelsgeschlecht von Below gehörte, wurde 1895 in Lugowen (heute Tschaikowskoje bei Prawdinsk/Friedland) erbaut. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde es in mehrere Wohnbereiche unterteilt und Übersiedlern aus der Sowjetunion zur Verfügung gestellt. In den folgenden Jahren verkam das Gutshaus wie leider viele andere Baudenkmäler im Gebiet. Es befindet sich heute in einem bedauernswerten Zustand.

Derzeit gibt es mit der 74-jährigen Ljubow Essaulowa nur eine einzige Bewohnerin im historischen Gebäude. Sie lebt als sowjetische Übersiedlerin seit Anfang der 1950er Jahre im Kaliningrader Gebiet – zunächst in Nesterow, später in Osjorsk. Arbeit fand sie mal in dieser, mal in jener Kolchose, bis sie sich schließlich in dem ehemaligen Gutshaus – Ortsbewohner nennen es ein „Herrenhaus“ – in Tschaikowskoje niederließ. Sie sorgt dort allein für den Haushalt, geht selbst Wasser und Holz für den Ofen holen. Erdgas habe es hier noch nie gegeben, es reiche aus, elektrischen Strom nutzen zu können, sagt Essaulowa.

Dass das Gutshaus noch steht, ist allein ihrer Fürsorge zu verdanken. Der größte Schaden entstand in den 1990er Jahren durch Touristen, die kamen, um zahlreiche Fotos „vor dem historischen Hintergrund“ zu machen. Der Touristenstrom versiegte erst, nachdem das Gutshaus einen neuen Besitzer bekommen hatte. Dieser ließ die Fensteröffnungen notdürftig schließen und setzte eine neue Eingangstür ein. Die Zeiten, in denen das Haus herrenlos gewesen war, waren vorbei.

Den Bau hat ein junger Geschäftsmann aus Kaliningrad erworben, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Ich mag kein unnötiges Aufsehen“, sagte er. Das Gutshaus habe er vor ein paar Jahren zum ersten Mal gesehen und gleich an einen Wiederaufbau gedacht. Diese Idee setzt er nicht allein, sondern in Kooperation mit Gleichgesinnten um. Diese – bereits 10 an der Zahl – haben die Wohnungen, in die das Gutshaus unterteilt war, erworben bzw. zwecks späteren Erwerbs angemietet. Die allernötigsten Reparaturen sind bereits erledigt, Türen und Fenster provisorisch eingesetzt sowie das Dach abgedichtet.

„Was mich bewegt, ist die Geschichte dieser Region“, sagt der Geschäftsmann. „Ich habe dieses Gebäude gekauft und mit ihm eine Beschäftigung für mein ganzes Leben gefunden. Das Haus ist riesengroß, die Sanierung wird viel Zeit und Geld kosten. Bereichern möchte ich mich nicht an dem Projekt. Gutshaus – das klingt nach etwas! In Wirklichkeit handelt es sich um ein verkommenes Landhaus mit maroden Bodendielen sowie kaputten Decken und Wänden, die dringend saniert werden müssen. Ganz zu schweigen von der Fassade mit den angeschlagenen Säulen, abgestürzten Balkonen, zerfallenen Mauern und böswillig zerstörten Stuckverzierungen.

Im Inneren führte einst eine Wendeltreppe nach oben. Schwer zu sagen, warum man sie zugemauert hat. Die Spuren davon sind heute noch an der Wand sichtbar. Wir werden aber alles wieder so machen, wie es früher war. Schade, dass es so wenig alte Fotografien selbst in den deutschen Archiven gibt. Einiges konnten wir jedoch finden. Man hat uns Fotos aus der Vorkriegszeit und sogar einen Plan des Gutshauses aus dem Jahr 1900 zugesandt. So erfuhren wir, dass es in der Vorhalle eine prächtige Treppe gab. Wir haben vor, nicht nur die Treppe wiederaufzubauen, sondern dem Haus sein früheres Erscheinungsbild nach Möglichkeit zurückzugeben. Der spätere Putz muss dazu entfernt werden, damit wir sehen können, wo man in der Nachkriegszeit Tür- und Fensteröffnungen zugemauert bzw. neu geschaffen hat. Wir werden uns dabei vom erwähnten Plan des Gutshauses leiten lassen. Das umliegende Gelände müssen wir ebenfalls in Ordnung bringen. Im Hof soll es einst einen Springbrunnen und ein Rosenbeet gegeben haben. Droschken konnten hier über Kopfsteinpflaster bis vor den Haupteingang fahren. In der Nähe gibt es einen Fluss, den seinerzeit der Graf von Below bewundern konnte. Man sagt, es gab dort damals ein Schleusensystem und eine Anlegestelle für Boote. Auch eine Allee mit Sitzbänken soll hier existiert haben. Wir haben vor, das alles wiedererstehen zu lassen.“

Jewgeni Maslow, Chef der regionalen Denkmalschutzbehörde: „Das ehemalige Gutshaus in Tschaikowskoje weist offensichtlich Merkmale eines Objektes des Kulturnachlasses auf. Es besteht kein Zweifel – dies ist ein architektonisches Meisterwerk, das wir mit hoher Wahrscheinlichkeit hätten verlieren können. Schön, dass es Interessenten gibt, die sich an dessen Wiederaufbau gemacht haben. Das Bewusstsein von Menschen, die etwas bewirken können und über die dazu benötigten finanziellen Mittel verfügen, verändert sich.“

Alexander Kateruscha