Giganten der Lüfte
Der KE berichtet weiter über deutsche Luftschiffe, deren Geschichte einen Bezug zu Königsberg und zu Russland hat. Der folgende Text basiert auf Informationen des Kaliningrader Schriftstellers und Journalisten Alexander Aderichin.
In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war unweit der Kreuzung General-Litzmann-/Schleiermacherstraße (heute Sowjetski prospekt und uliza Borsowa) eine Militäreinheit stationiert, deren Aufgabe es war, das Luftschiff LZ 4 zu bedienen. Für dieses war dort extra eine 170 Meter lange, 50 Meter breite und 38 Meter hohe Werkhalle gebaut worden, wie Heimatforscher erkundet haben. In der Sowjetzeit existierte an dieser Stelle eine flugtechnische Militärschule, in der Flugzeugtechniker für die Luftstreitkräfte ausgebildet wurden.
Die Deutschen nannten ihre Luftschiffe Zeppeline – zu Ehren von Ferdinand Adolf Heinrich August Graf von Zeppelin, der als Erster riesengroße Starrluftschiffe zu bauen begann. Bemerkenswert ist, dass seitdem eines der beliebtesten und bekanntesten Gerichte der litauischen Nationalküche wegen seiner Form „Zeppelinas“ heißt.
Das in Königsberg stationierte Luftschiff LZ 4 kam im Ersten Weltkrieg aktiv gegen die Armee des russischen Zarenreiches zum Einsatz. Mehrere Male machte es nächtliche Aufklärungsflüge über Territorien, die von feindlichen Truppen besetzt waren, und kehrte mit wertvollen Informationen für das Kommando der Ostfront zurück. Im Buch „Luftschiffe im Krieg“ wird ein Einsatz der LZ 4 aus Königsberg am 7. und 8. August 1914 im Bereich Breslau-Plozk-Kutno-Lodz beschrieben. Am 11. und 12. August fuhr die LZ 4 ein zweites Mal in die Region, kam dabei jedoch unter Beschuss und kehrte stark beschädigt zurück. Bei einer anschließenden Fahrt wurde das Luftschiff mit Schrapnellgranaten beschossen, verlor viel Wasserstoff und musste notlanden. Die Besatzung wurde beim Versuch, die LZ 4 zu zerstören, gefangengenommen.
Ein weiteres Luftschiff, die „Graf Zeppelin“, Baujahr 1928, besuchte im August 1930 die Stadt Königsberg. Es war das größte und modernste Starrluftschiff seiner Zeit, welches alle anderen Luftfahrzeuge dieser Art in jeder Beziehung in den Schatten stellte. Der KE berichtete darüber in Nr. 5/2021.
Fahrgästen standen an Bord der „Graf Zeppelin“ zehn komfortable Zwei-Bett-Kabinen zur Verfügung. Es war jedoch strengstens untersagt, Feuerzeuge oder Streichhölzer mit auf die Reise zu nehmen. Als Kraftstoff für die fünf Motoren des Luftschiffes konnte sowohl Benzin als auch Gas verwendet werden. Der Wasserstoff, mit dem der Rumpf des Luftschiffes gefüllt war, war so explosiv, dass ein kleiner Funke eine Tragödie hätte verursachen können. Dennoch gab es an Bord der „Graf Zeppelin“ ein Raucherabteil, in dem ein einziges Feuerzeug vorhanden war. Das Betreten dieses Abteils war nur über eine Schleuse möglich, die einen Kontakt mit Wasserstoffmolekülen unmöglich machte.
Im Sommer 1931 unternahm die „Graf Zeppelin“ eine Forschungsreise in die unter Hoheit der Sowjetunion befindlichen Gebiete der Arktis. Mit russischen Polarforschern an Bord befuhr sie die Route Archangelsk–Franz-Josef-Land–Inselgruppe Sewernaja Semlja–Kap Tscheljuskin–Siedlung Dikson–Doppelinsel Nowaja Semlja–Archangelsk. Das Luftschiff machte während dieser Fahrt einen Zwischenstopp am sowjetischen Eisbrecher „Malygin“, um dessen mit 46.444 Briefmarken frankierte Post an Bord zu nehmen. Diese erhielt dann in der „Graf Zeppelin“ einen Sonderpoststempel.
Alle Luftbildaufnahmen dieser Reise wurden der Sowjetregierung übergeben. Lediglich vom Franz-Josef-Land fehlten Bilder. Auf wiederholte Nachfragen der sowjetischen Seite gab Deutschland an, dass die entsprechenden Aufnahmen infolge eines technischen Schadens fehlerhaft und nicht zu verwenden seien. Bemerkenswert ist, dass die Deutschen während des Zweiten Weltkrieges genau in den Gebieten, die sie bei diesem Forschungsflug erkundet hatten, eine Wetterstation aufbauten.
1940 wurde die „Graf Zeppelin“ verschrottet.