Ulrich Karl Thomas mit Ehefrau Eleonore. Foto: privat

„Das Geräusch“ – ein Königsberger erinnert sich an die geliebte Heimatstadt

Liebe Leserinnen und Leser, wir haben heute eine Überraschung für Sie. Als Autor unserer Rubrik „Gedichte“ tritt erstmalig der gebürtige Königsberger Ulrich Karl Thomas auf.

In seinem Brief an die KE-Redaktion hat er Folgendes geschrieben: „Ich bin 1953 nach Kanada eingewandert. Zu meinem 90. Geburtstag wurde mein Lebenslauf in Englisch gedruckt. Ich versuche aber, das Deutsche so gut wie möglich zu erhalten und pflege einen regelmäßigen Briefwechsel mit einem ehemaligen Schullehrer in Deutschland, der mir auch von dem „Express” berichtet hat. Auf seine Anregung kam ich mit der Zeitung in Verbindung. Der Name meiner Frau ist Eleonore; wir werden, so Gott will, im April 2021 unser 71. Jubiläum feiern. Wir haben sechs Kinder, die alle in der Provinz  Alberta wohnen.“

„Das Geräusch“

Ich hörte es deutlich letzte Nacht

und bin doch fast taub.

Wo kommt es her, dies Geräusch der Kindheit,

dies Geräusch der Heimat,

dieses Geräusch aus Königsberg?

Ganz klar, ganz deutlich,

fast unerträglich laut;

und aus der Tiefe steigt des Seufzens Qual.

Nein, nicht das Dröhnen

der Dampfpfeifen vom Sonntäglichen Hafenkonzert,

nicht das Plätschern von Rudern der Gondeln

auf dem Wasser des Schlossteichs,

nicht das Rufen des Gemüsehändlers auf unserer Straße,

der Vorderlomse: „Kartosch, Kartosch, Kartosch…“*

Nein, auch nicht das rhythmische Klopfen

des Steinmetzes,

der die abgewetzten Steine des Bürgersteiges aufraut,

sitzend auf seinem Lederkissen

umgeben von dem Schirm,

der Andere und nicht ihn

vor den fliegenden Steinspritzern schützt.

Doch lauter und lauter hör ich das Geräusch,

schrill, unüberhörbar

unangenehm und doch vertraut:

Das Quietschen der Straßenbahn in den Geleisen

vom Gesekus- zum Kaiser-Wilhelm-Platz.

Und ich sitze und träume

am offenen Fenster der Altstädtischen Knaben-Mittelschule

in Königsberg.

*Kartoffel

Ulrich Karl Thomas in einer Nachdichtung des Kaliningraders Michail Rylskij

Ульрих Карл Томас в вольном переводе калининградца Михаила Рыльского:

Звуки родины

Я слышал их прошлой ночью, так ясно, так отчетливо,

невыносимо громкие звуки Кёнигсберга,

звуки моей родины.

Словно воспоминаний вздох восходил из глубинных ран.

Но нет, это не гул в порту паровых гудков

и не плеск воды о руль гондол там, у Замкового пруда

и не крик зеленщика на нашей забытой улице,

Передней Ломзе: „Картош, картош, картош…*“,

Нет, и не ритмичный стук камнетеса,

сидящего на кожаной подушке день-деньской

за зонтом, укрывающим прохожих

от осколков его камней, летящих по щербатой мостовой…

Это звуки детства, их тон так высок,

что закладывает уши,

но он так близок моему сердцу.

Это трамвай визжит на рельсах

от площади Гезекуса на Кайзер-Вильгельм Платц.

А я сижу, мечтая у открытого окна,

парнишка, кёнигсбергский школьник.

* картофель