Das Familienfoto an der Wand und ein russischer Samowar erinnerten ihre Besitzer an die alte Heimat. Der offene Koffer verkörpert den einstigen Wunsch, vielleicht doch wieder nach Hause zurückkehren zu wollen. Foto: mayak-biblio.ru

Museum über sowjetische Neusiedler nach dem Krieg

Seit einigen Monaten gibt es in Kaliningrad ein neues Museum, das eine Wohnung von sowjetischen Neusiedlern nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zeigt.

Das Museum wurde von Mitarbeitern der regionalen Majakowski-Bibliothek initiiert. Mit Inseraten suchten die Ausstellungsmacher nach passendem Inventar. Mittlerweile zählt das Museum bereits über einhundert Exponate, von denen ein jedes seine eigene Geschichte hat. Auch das Gebäude der Bibliothek selbst ist ein Symbol für die Symbiose zwischen Geschichte und Gegenwart. Es wurde auf dem Fundament eines Hauses aus deutscher Zeit errichtet.

Die ersten sowjetischen Siedler konnten in Wohnungen und Häuser ziehen, die den Krieg einigermaßen unversehrt überstanden hatten. Die in der Stadt und im Gebiet verbliebenen Deutschen mussten ihre Behausungen oft mehrfach räumen. Neue und alte Bewohner wohnten bis zur Aussiedelung der Deutschen als Nachbarn in der zerstörten Stadt bzw. im Gebiet. Spuren davon finden sich in den Beständen der „Museumswohnung“. Beispielsweise steht bayerisches Porzellan neben einem russischen Samowar. „Eines der Exponate ist ein schickes Service mit dem Firmenzeichen einer Porzellanfabrik aus Bayern. Es wurde seinerzeit von Boris Samkin unweit von Gwardejsk (ehem. Tapiau) gefunden“, sagte die Bibliothekarin Julia Serischtschewa in einem Interview mit der Zeitung „Moskowskije Nowosti“. „Familie Samkin bewahrte das Service wie eine Reliquie auf, bevor sie diese unserem Museum schenkte.“

Julia Serischtschewa hat die Uniformjacke ihres Großvaters, die dieser als Militäreisenbahner in verschiedenen Landesteilen sowie in Kaliningrad getragen hat, und einige alte sowjetische Zeitungen ins Museum mitgebracht.  Ihr Opa bekam eine Wohnung in einem ehemals deutschen Haus nahe der Eisenbahn zugewiesen und blieb auch als Rentner in Kaliningrad. In seiner damaligen Wohnung lebt heute bereits die vierte Generation seiner Familienangehörigen.

Die Historikerin Dr. Marina Klemeschewa berichtete der Zeitung „Kaliningrader Land“ über die sowjetische Neubesiedelung der Region: Leitende Verwaltungs- und Wirtschaftsfunktionäre wurden bereits im Sommer 1945 aus Zentralrussland nach Königsberg beordert. Der erste Sonderzug mit Neusiedlern traf ein Jahr später in Gumbinnen (heute Gussew) ein. Im Folgenden kamen fast täglich Sonderzüge an. Pausiert wurde nur in der Winterzeit.

Die Siedler kamen aus allen Teilen Russlands, besonders aus den im Krieg stark zerstörten Gebieten. In Regionen wie Brjansk, Smolensk und Stalingrad, in Weißrussland und einigen anderen Sowjetrepubliken war kein Stein auf dem anderen geblieben. Die Menschen hatten ihre Familien sowie Haus und Hof verloren. Andere wiederum wollten von vorn anfangen oder hatten weitere Gründe für den Umzug.

Den Neuankömmlingen wurden die Umzugskosten bezahlt. Sie durften in ihre neue Heimat mitnehmen, was sie wollten, auch Vieh. Für Haustiere und Sperrgepäck wurden Güterwagen bereitgestellt. Die Reisenden bekamen Verpflegung und Tagegeld, da die Züge nicht selten drei bis vier Wochen unterwegs waren. Nach der Ankunft wurden Gebrauchswaren wie Schuhe und Textilien verteilt, da diese im zerstörten Königsberg/Kaliningrad nicht gekauft werden konnten. Den Anwerbungen folgten sehr viele Menschen, die sich ein besseres Leben versprachen. Letztendlich waren es mehr, als das Gebiet aufnehmen konnte. Anfang der 1950er Jahre wurden ca. 400.000 Übersiedler gezählt.

Im September 1945 wurde in Königsberg die erste sowjetische Schule eröffnet. Sie existiert heute noch als Gymnasium Nr. 1 in Kaliningrad. Wegen akuten Lehrermangels konnte damals fast jeder, der lesen und schreiben konnte sowie willens und fähig war, dies auch Kindern beizubringen, als Lehrkraft arbeiten.

Recht bald nach Kriegsende wurde die Arbeit in den Papierfabriken und im Waggonbaubetrieb wiederaufgenommen. Auch die Fischereiwirtschaft lebte langsam wieder auf. Doch nicht alle, die in diese neue sowjetische Region gekommen waren, vermochten hier auch Fuß zu fassen. 10 bis 30 Prozent von ihnen kehrten wegen der anfänglich katastrophalen Lebensumstände in ihre Heimatorte zurück.