Kaliningrad –„Dolch im Herzen Westeuropas“?
Robert O’Brien, Nationaler Sicherheitsberater des US-Präsidenten, hat am 23. Mai 2020 in einem Interview mit der BILD-Zeitung die Infrastruktur der russischen Streitkräfte im Kaliningrader Gebiet als einen „Dolch im Herzen Westeuropas“ bezeichnet.
O’Briens Interview war größtenteils den Gründen für den Austritt der USA aus dem Open-Skies-Abkommen gewidmet. Nach seinen Worten hätten „die Russen enorm große Mengen an Raketen und Waffen in Kaliningrad aufgebaut, die all unsere europäischen Verbündeten und das Baltikum bedrohen. Leider konnten wir während des Abkommens keinen Überflug über Kaliningrad erlangen… Was die Russen in der Region Kaliningrad vorhaben, ist ein Dolch im Herzen Westeuropas… Die Region sollte ein Ort sein, an dem angesichts dessen geografischer Lage großartiger Handel stattfindet, Tourismus, sozialer Austausch zwischen Russland und Westeuropa… Die ganze Situation in Kaliningrad ist eine verpasste Chance für Russland und Europa, und das ist wirklich schade.“
Die Worte des hochrangigen US-Beamten stießen in den russischen Medien vielfach auf Kritik und Ablehnung. Die Zeitung „Kommersant“ schreibt beispielsweise, dass O’Briens Worte über die angebliche Weigerung der Russen, das Kaliningrader Gebiet im Rahmen des Open-Skies-Abkommens durch die USA inspizieren zu lassen, mit der Wirklichkeit nichts gemein hätten. Die US-Amerikaner und Inspekteure aus Litauen und Estland hätten just im März dieses Jahres einen erneuten Beobachtungsflug – nicht den ersten dieser Art – durchgeführt. „Damit unsere Partner ihren Wunsch, jeden Quadratmeter unseres Territoriums fotografieren zu können, erfüllen konnten, mussten wir den zivilen und kommerziellen Luftverkehr für eine längere Zeit unterbrechen und die sich daraus ergebenden Probleme in Kauf nehmen“, sagte ein Regierungssprecher gegenüber „Kommersant“.
Noch schärfer äußerte sich der russische Außenminister Sergej Lawrow. Er sagte, Russland habe die Vorwürfe der USA über eine angebliche Verletzung des Abkommens mehrfach zurückgewiesen. Er halte die Argumente der US-amerikanischen Seite für eine Unterstellung.
Der Vergleich des Gebietes mit „einer geschlossenen Militärbasis voller Hightech-Waffen und Raketen“ löste beim Kaliningrader Gouverneur „Befremden und Bedauern“ aus.
Anton Alichanow hält die „Behauptungen der US-Administration für oberflächlich und die Kompetenz der Berater und Referenten des US-Präsidenten wegen der totalen Weltfremdheit ihrer Erklärungen für unzureichend“.
Alichanow versicherte, dass das Kaliningrader Gebiet für Besucher aus aller Welt offen sei, und lud insbesondere US-amerikanische Touristen ein, sich ein eigenes Bild zu machen. „Wir heißen alle willkommen. Sie werden sehen, dass wir offen und freundlich sind und unser Gebiet kein Pulverfass ist“, zitiert die Pressestelle der Gebietsregierung die Worte des Gouverneurs.