Seekanal oder neuer Hafen in Jantarny?
Von fachlicher Seite neigt man zunehmend zu der Auffassung, den im Frischen Haff bereits bestehenden Seekanal zu vertiefen, um den Schiffsverkehr zu optimieren. Dem steht jedoch entgegen, dass sich Präsident Putin bereits zugunsten eines Hafenneubaus in Jantarny ausgesprochen hatte.
Das Projekt Hafen benötigt allerdings nicht nur eine mündliche Unterstützung, sondern auch Investitionen in Milliardenhöhe. Weniger kostenaufwendig erscheint die Variante Seekanal, an der sich der größte Auftraggeber des Seehafens Kaliningrad, die Unternehmensgruppe „Sodruschestwo“ (40 Prozent des Frachtumsatzes) finanziell beteiligen will. Sodruschestwo trat schon mehrmals für eine Modernisierung des Seekanals ein. Die Unternehmensgruppe erklärt sich bereit, an der Umsetzung des Bauvorhabens mitzuwirken und darüber hinaus eigene Anlegestellen auszubauen und zu erweitern, damit dort Frachtschiffe der Panamax-Klasse anlegen können. Dies teilt die Nachrichtenagentur „Kommersant“ mit.
Der Kaliningrader Seekanal verläuft entlang der Nordküste des Frischen Haffs. Täglich passieren ihn über 30 Schiffe, größtenteils Tank- und Containerschiffe, Richtung Hafen Kaliningrad. Der Seekanal ist 23 Seemeilen (42,6 Kilometer) lang, 50 bis 80 Meter breit und 9 bis 12 Meter tief. Schiffe brauchen im Durchschnitt vier Stunden, um diese Strecke zurückzulegen. Der Seekanal ist für Schiffe mit einer Länge von bis zu 200 Meter und mit einem Tiefgang von bis zu 8 Meter ausgelegt.
Um den Kanal für Frachtschiffe der Panamax-Klasse passierbar zu machen, werden 35 bis 46 Milliarden Rubel benötigt, so „Kommersant“. Das russische Verkehrsminis-terium und die Regierung des Kaliningrader Gebietes sind bereit, die Unternehmensgruppe „Sodruschestwo“ zur Umsetzung dieses Projektes heranzuziehen.
Sodruschestwo ist das größte Unternehmen auf postsowjetischem Raum, das sich mit der Verarbeitung von ölhaltigen Pflanzen befasst. Die Inhaber von Sodruschestwo sind Alexander und Natalja Luzenko, ihr Vermögen wird nach „Forbes“ auf jeweils 850 und 425 Millionen US-Dollar geschätzt. 2019 soll Sodruschestwo über 3 Millionen Tonnen Rohware verarbeitet und Fertigware im Wert von 2,6 Milliarden US-Dollar verkauft haben.
Laut der Agentur „Infoline-Analysten“ sei es wirtschaftlich sinnvoller, den Seekanal auszuschachten anstatt einen neuen Seehafen zu bauen. Das Projekt würde sich selbst bei einem Investitionsumfang von 50 Milliarden Rubel rentieren, da zu erwarten ist, dass der Güterumschlag und die Konkurrenzfähigkeit des Kaliningrader Hafens durch die dann mögliche Abfertigung von Panamax-Frachtern erheblich steigen wird.
Zur Information:
Der Kaliningrader (bis 1947 Königsberger) Seekanal ist ein von Menschen erschaffenes hydrotechnisches Bauwerk, das vom Frischen Haff durch zehn aufgeschüttete Dämme getrennt ist. Der Seekanal beginnt an der nordöstlichen Spitze der Frischen Nehrung und verläuft bis vor die Eisenbahnbrücke, wo der Pregel ins Haff mündet.
Der Königsberger Seekanal wurde 1901 für die Schifffahrt eröffnet. Er war für Schiffe mit einer Länge von bis zu 120 Meter und Tiefgang bis zu 6 Meter ausgelegt. In den 1930er Jahren musste der Kanal vertieft werden, diese Arbeit wurde später auch in der Sowjetzeit fortgeführt. Mitte der 1990er Jahre war der Seekanal 9 bis 10,5 Meter tief und 50 bis 80 Meter breit.