„Kaliningrad habe ich bislang mit dem Fahrrad und zu Fuß kennengelernt“
Hans Günther Mattern, neuer Generalkonsul Deutschlands in Kaliningrad, in einem Interview mit dem „Königsberger Express“
KE: Um es gleich vorab zu sagen: Wir freuen uns sehr, Sie in Kaliningrad, einer Stadt mit einer einzigartigen Geschichte und Geopolitik, begrüßen zu können. Was früher Königsberg in Ostpreußen war, ist heute eine russische Exklave, eine Insel im europäischen Meer. Welchen Einfluss übt das auf Ihre Arbeit als Diplomat aus?
Hans Günther Mattern: Auch ich freue mich, hier zu sein. Den Posten als deutscher Generalkonsul in Kaliningrad habe ich mir, wie ich es bereits an anderer Stelle öffentlich gesagt habe, ausdrücklich im deutschen Außenministerium gewünscht – und zwei meiner Motive haben Sie genannt: ‚Geschichte und Geopolitik‘ sowie ‚Insel‘. Beides weckt die Neugier, die wichtigste Eigenschaft des Diplomaten.
Die Exklavenlage prägt in der Tat die praktische Arbeit des Generalkonsulats. Dessen aus Sicht der Menschen sowohl hier als auch in Deutschland wichtigste Aufgabe ist es, möglichst viele Reisen über die Grenze und damit menschliche und geschäftliche Kontakte zwischen unseren beiden Ländern zu gewährleisten. Diesem Zweck dient die Visavergabe des Generalkonsulats; sie ist unsere mit Abstand begehrteste Dienstleistung. Aber auch die Beschäftigung mit den politischen und wirtschaftlichen Aspekten der Insellage (Stichwort: Sonderwirtschaftszone) beeinflusst stark meine Tätigkeit.
KE: Der Beginn Ihrer Arbeit in Kaliningrad fällt in eine Zeit, in der die abgekühlten Beziehungen zwischen Russland und Europa, zwischen Russland und Deutschland nicht zu übersehen sind. Macht das den besonderen Charakter Ihrer diplomatischen Mission aus? Oder verlagert sich dadurch sozusagen deren Fokus?
Mattern: Das entscheidende Kriterium in der Außenpolitik lautet: Interessen. Je mehr sich die Beziehungen zwischen Staaten in, wie gerne gesagt wird, schwierigem Fahrwasser befinden, umso sorgfältiger müssen Diplomaten herausfinden, wo genau die Interessen der beiden Seiten liegen. Das macht unsere Arbeit übrigens so interessant.
Deutschland und Russland haben aktuell viele gemeinsame Interessen: von Frieden und Sicherheit in Europa über das wirtschaftliche Wohlergehen ihrer Bevölkerungen bis hin zu gegenseitigem menschlichem Verständnis. Letzteres fördert das Generalkonsulat gern mit gemeinsamen Kulturprojekten unter Einbeziehung Jugendlicher. Einfach ausgedrückt: Gute Laune und Musik lösen allein keine politischen Probleme, sind aber eine gute und notwendige Grundlage für den Abbau von Spannungen.
KE: In welchem Bereich setzen Sie Ihre Prioritäten: im sozialwirtschaftlichen oder wissenschaftlichen? Oder im Kultur- und Bildungsbereich? Oder vielleicht im Bereich der internationalen Zusammenarbeit auf Kommunalebene?
Mattern: Sie haben die drei prioritären Aufgabenfelder genannt. In der Kulturarbeit ist mir besonders wichtig, dass noch mehr Schulkinder und Studenten als bislang im ganzen Kaliningrader Gebiet Deutsch lernen – und zwar so gut, dass sie am bilateralen Austausch teilhaben und die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern und Völkern aktiv mitgestalten können, auch ganz einfach durch gemeinsames Feiern, Theater spielen oder Sport treiben.
Bunte und kluge Möglichkeiten dazu eröffnen die zahlreichen Partnerschaften zwischen deutschen Bundesländern und Gemeinden und hiesigen Städten. Eine große Ideenvielfalt und unverkrampfte Kontaktfreudigkeit auf der kommunalen Ebene beflügeln oft „von unten“ die zwischenstaatlichen Beziehungen „da oben“.
KE: Uns würden Ihre ersten Eindrücke von unserer Stadt interessieren. Man sagt ja von Kaliningrad, dass es ein Stück Russlands in der Mitte Europas oder ein Stück Europas am Rand von Russland ist. Was halten Sie von den Denkmälern der deutschen Kultur und Architektur, die hier wiederaufgebaut werden, wie finden Sie den Königsberger Dom, die Börse, die Stadttore usw.?
Mattern: Kaliningrad habe ich bislang vor allem mit dem Fahrrad und zu Fuß kennengelernt. Dabei habe ich sowohl das Mit- und Nebeneinander der verschiedenen Baustile, als auch die verschiedensten Baudenkmäler erkundet. Zu meinen besten Eindrücken gehören die Besichtigungen von mitunter eher versteckten Orten, die besonders ausdrucksstark Vergangenheit und Gegenwart verbinden: alten Backsteinbauten, unverputzt und leicht ungeordnet, dafür aber charmant und lebendig – wo man, vielleicht sogar mit einem heißen Kaffee oder einem frischen Bier vor sich (und nicht zu lauter Musik hinter sich), über die Bedeutung von guter Nachbarschaft nachdenken oder schlicht mit den Nachbarn plaudern kann.
KE: Was halten Sie von der Initiative Russlands, elektronische Visa auszustellen? Wäre eine ähnliche Möglichkeit für russische Reisende in Deutschland denkbar?
Mattern: Die Einführung des elektronischen Visums durch die russische Regierung war ein sehr erfreulicher Schritt. Zehntausende von Ausländern hat das in den vergangenen Monaten bewogen, nach Kaliningrad zu reisen. Mehr Touristen heißt aber nicht nur mehr Verdienstmöglichkeiten für die hiesige Bevölkerung, sondern auch mehr menschliche Kontakte.
Künftige ähnliche Visumerleichterungen für russische Reisende kann ich derzeit nicht erkennen. Sie müssten zudem im großen Kreis der Schengen-Mitgliedstaaten einvernehmlich beschlossen werden.
KE: Wir danken Ihnen für das Interview.